Donnerstag, 19. April 2012

Filmkritik - Iron Sky - Timo Vuorensola 2012

WARNUNG! Es werden Details des Films genannt. 

Jungs geht ins Kino, das ist ein Film für euch!

Wie kritisiert man eine Film-Satire, die gleich mehrere Genres höchst unterhaltsam umfasst. Denn Iron Sky ist nicht nur eine Satire auf SF-Filme, sondern auch auf Trash-Movies und Kriegsfilme und macht sich umfassend über die reaktionären Republikaner in den USA lustig.
Lustig wäre schon mal ein Stichwort, denn der Film ist lustig, auch wenn viele Witze nicht zu lautem Lachen führen. Alle Namen von Personen, Objekten und Orten sind Anspielungen, die um so lustiger sind, um so mehr Hintergründe bekannt sind. Es ist keine Komödie!

In den 70-er des 20. Jahrhunderts gab es einen so genannten Spruch über die damals noch jungen Neo-Nazis, dass diese ja hinter den Mond leben und keine Ahnung vom Leben in der Realität haben. Dies und eine der wirklich skurrilen Verschwörungstheorien über das Ende von Nazi-Deutschland, welche in Neuschwabenland und Neuberchtesgaden in der Antarktis oder eben auf dem Mond ihre Kräfte sammelten, ist eine von vielen Ausgangsideen dieses Films.

Ja, die Nazis leben auf der dunklen Seite des Mondes und haben damit die gesellschaftlichen und technologischen Entwicklungen der letzten 70 Jahre verpasst. Alle Menschen sind Arier und Menschen mit abweichender Hautfarbe sind unbekannt. Für den Transport werden Kübelwagen (aka Volkswagen Käfer) und Seitenwagenmotorräder (BMW) genutzt. Die Zuse-Rechenmaschine wurde zum Computer, aber es fand nicht der Schritt zur radikalen Verkleinerung der Bauelemente statt. In der Nazi-Mondbasis sehen die Lautsprecher noch aus wie sich öffnende große Tüten.
Die ganze Ausstattung der Siedlung und die Teile der Maschinen, die gezeigt werden, erinnern an Kriegsfilme der 1950-er Jahre und verweisen auf den Stil des Steampunk der seit den späten 1980-er Jahren immer mehr retro-futuristische Bilder ins Kino (u.a. Stadt der verlorenen Kinder, Wild Wild West, Hellboy) brachte.
Angriff der Mond-Nazis. Quelle: http://www.ironsky.net/
Nazi-Satiren haben es in Deutschland schwer. Da schwingen bei uns scheinbar immer wieder die zwei antrainierte Fragen mit
"Darf man darüber Witze machen? - Darf ich darüber lachen?"
Wenn der "deutsche Gruß" mit den Worten Heil Kortzfleisch, Sieg Heil oder Heil Hitler begleitet  oder ein Schwarzer als Neger bezeichnet wird, steckt das Lachen fest.

Die Bösen
Das wäre dann einer dieser stillen Witze, der durch Namen des Führer Kortzfleisch, eine Anspielung auf den überzeugten Nazi General Joachim von Kortzfleisch, noch eine besondere Note erhält. Für diese Rolle wurde Udo Kier gewonnen, der den Bösewicht überzeugend spielt. Was gleich zum Thema Trash führt. In Trash Genre gibt es Darsteller, die so steif agieren, dass dies bereits zum Lachen führt. Der zweite Nazi-Bösewicht (es kommen noch bösen Frauen auf der Erde hinzu) SS-Offizier Klaus Adler -gespielt von Götz Otto- zeigt mit seinem einen Gesicht ohne Ausdruck wie minimalistisch Trash sein kann. Der dritte Bösewicht auf dem Mond ist der verrückte Wissenschaftler, der sicher nicht nur zufällig Ähnlichkeit mit Albert Einstein hat (wieder die Frage: "Darf man darüber lachen?", natürlich!).
Die Bösewichte auf der Erde können lauter belacht werden. Die US-Präsidentin ohne Namen, gespielt von Stephanie Paul, ist eindeutig die reaktionäre Republikanerin Sarah Palin, die an der Seite von John McCain 2008 US-Vizepräsidentin werden wollte und als Tea Party-Drohung auch im Hintergrund des diesjährigen US-Präsidentschaftswahlkampf steht. Ihre Dummheit war bereit im damaligen Wahlkampf sehr unterhaltsam. Hier ist sie die machtbewusste Präsidentin, die mit einer Mondlandung ihre Wiederwahlkampagne sichern möchte und von den Nazis deren Sprachstil übernimmt. Die gezeigte Wahlkampfrede nutzt einerseits die Sprachschablonen der Nazis, zeigt aber gleichzeitig einen Auftritt eines US-Präsidentschaftskandidaten, wie er aus dem US-Wahlkampf hundertfach auch nach Deutschland übertragen wird.
Die andere böse Frau ist die Wahlkampfmanagerin der Präsidentin (gespielt von Peta Sergeant), die zum einen Idee mit der Mondlandung eines schwarzen Astronauten entwickelte und später im Film einen Krieg gegen die Alien-Nazis als Garantie für die Wiederwahl vom Kriegsraumschiff "George W. Bush" anführt (was an den Krieg gegen Albanien im Film "Wag the Dog" erinnert).
Ich verrate nicht viel, wenn ich schreibe, dass alle fünf genannten Bösewichte die Handlung nicht überleben und dennoch gibt es kein Happyend (?).
Eine der Guten. Quelle: http://www.ironsky.net/
Die Guten
Eigentlich gibt es nur zwei positive Protagonisten, die beide nicht wirklich sehr schlau sind.
Da wäre die Tochter des bösen Wissenschaftlers Renate Richter (gespielt von Julia Dietze), welche als idealistische Lehrerin den auf den Mond geborenen Kindern die Nazi-Ideologie und für die Welteroberung die englische Sprache beibringt. Sie ist die Verlobte des als Nachfolger des Führers aufgebauten Klaus Adler. Sie ist soweit Erd-Expertin, wie Sandra Bullock als Lt. Lenina Huxley in Demolition Man Expertin für die 1990-er Jahre ist. Artefakte und Medienkonserven werden mit der Geschichte und der Realität verwechselt.
Und dann ist dort Christopher Kirby als schwarzer Astronaut James Washington. Er ist kein Astronaut sondern Weltraumtourist im Propaganda-Auftrag der US-Präsidentin. Er soll einfach nur schön und schwarz sein und damit neue Wählerschichten erschließen. Er hat keine Ahnung von Raumfahrt, Politik oder Geschichte und nachdem er auf den Mond "arisiert" wurde (bleiche Hautfarbe und blonde, glatte Haare), ist auf zurück auf der Erde nicht mehr das bekannte Model sondern wird zu einem weißen Stadtstreicher, der vor den Nazis hinter dem Mond warnt.

Der finnische Regisseurs Timo Vuorensola und sein Team haben nicht nur die genannten Hauptrollen mit vielen kleinen Anspielungen gefüllt, sondern zitieren auch sonst ausgiebig vor allem aus dem Kanon der großen SF-Serien. Es gibt Verweise auf Alien, 2001 und vor allem auf Star Trek, womit Timo Vuorensola über zehn Jahre mit drei Star Wreck-Produktionen bekannt wurde. (kostenloser Download des letztes Star Wreck Film über archive.org)
Stanley Kubriks Dr. Seltsam war gleich mindestens zwei Mal zu sehen. Nicht nur in der Rolle des arisierten James Washington, der als er dem Führer präsentiert wird, einen zuckenden rechten Arm hat weil er den Hitlergruß unterdrücken will und natürlich in der langen Schlusssequenz, in der bereits der Abspann zu lesen ist.

Es könnte noch viel mehr geschrieben werden, so über die Filmmusik der slowenischen Industrial Band Laibach (die Mond-Nazis auf der tragen statt des Hakenkreuzes das Logo der Band am Oberarm), über weitere Filmzitate und wie Kürzungen den Inhalt eines Films verkehren können (Chaplins Großer Diktator), über Reichsflugscheiben und Zeppeline, über US-Politik, die von den Simposns bekannten kleinen Beschriftungswitze, Nord-Korea und den UN-Sicherheitsrat, ...

... Doch ich ende mal hier und denke, dass dies ein Film ist, der wegen der Vielzahl von Anspielungen zu einem Kultfilm wird, der von seinen Fans wieder und wieder angeschaut wird.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Film ein großes Publikum in den USA findet, da dort Satire nur von einer Minderheit geschätzt wird.
Ich selber gebe dem Film eine 7 (gut mit Einschränkungen) auf meiner von 0-10 reichenden Filmbewertungsskala, doch wenn ich den Film ein zweites und drittes Mal gesehen habe, erhält er vielleicht eine höhere Wertung.

Iron Sky (Finnland, Deutschland, Australien 2012, 93 Minuten)

Mehr kann über den langsam wachsenden Wikipedia-Artikel und die werbende Seite zum Film erfahren werden.
Auf soundcloud.com kann der Song "Under The Iron Sky" von Laibach angehört werden.
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Nachtrag:
Nach neun Wochen hatte der Film in 17 Ländern bereits mehr als 900.000 Besucher. Das Budget für Iron Sky lag bei 7,5 Mio. Euro, wovon 1,2 Mio. Euro durch Crowd Investment und Crowd Funding eingesammelt wurden. Das war sicherlich eine lohnende Investition für die Fans dieser Produktion. Office Mojo verzeichnet einen Gesamtumsatz von mehr als 9 Millionen US-Dollar.

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