Mittwoch, 3. Januar 2007

Bonn am 10. Oktober 1981

Vor 25 Jahren fand in Bonn die zentrale Demonstration der Friedensbewegung gegen die Aufrüstung statt. Ich war einer der Teilnehmenden.

Heute ist bekannt, dass die konservativen Kritiker der Friedensbewegung mit ihrer Polemik zum Teil Recht hatten. Die DDR hat viel Geld an ihre westlichen Partner überwiesen, damit diese sich finanziell an den Aufwand für diese Großveranstaltung mit etwa 300.000 Menschen beteiligen kann. Ich weiß noch, dass ich früh morgens einen gemieteten Sonderzug von Bremen bestieg und dass die Fahrt nur einen symbolischen Preis von wenigen Mark kostete. Doch es war keine Demonstration, die von der DDR gesteuert wurde. Wir waren wirklich entsetzt darüber, dass die Aufrüstung auf der einen Seite von SS20-Raketen und auf unserer Seite mit 572 atomar bestückten Pershing II – Marschflugkörpern, realisiert wurde. Der Wehrmachtsoffizier Helmut Schmidt ignorierte die Ängste der jungen Menschen und schuf damit die Basis einer Verachtung für die konservativen Elemente der SPD.

Der Zug war überfüllt und wir wurden regelrecht euphorisch, als wir vor Bonn von einen Radiohörer hörten, dass es Verkehrschaos in der Bundeshauptstadt gibt, da unerwartet viele Fahrzeuge sich auf den Weg gemacht hatten. In Bonn wurden wir zu einem der Startpunkte eines Sternmarsches in die Innenstadt gelotst. Hier versuchten die vielen unterschiedlichen K-Gruppen und die entstehenden alternativen Gruppierungen Flugblätter zu verteilen. Ich hatte schließlich weit über ein Dutzend dieser Pamphlete und Informationsblätter. Es waren zum Teil investigative Informationen zum Beispiel über die tatsächlichen Standorte der Atomwaffen der USA in Westdeutschland, die natürlich nie offiziell bestätigt wurden. Da aber bekannt war, dass die Bunker mit den Atomwaffen ausschließlich von US-Spezialtruppen bewacht wurden, ließen sich vor allen Bundeswehrstandorte außerhalb der amerikanisch besetzten Zone eindeutig benennen, in denen US-Soldaten exklusiv einzelne Bereiche bewachten. Bundeswehrangehörige gaben regelmäßig Hinweise über Veränderungen und neue Standorte.

Wir sammelten uns am Treffpunkt und schon hier war kein Anfang und kein Ende der Menschenmasse zu sehen. Es gab kurze Reden von einer Bühne und vor allem Hinweise zum weiteren Verlauf. Dann kam endlich der Hinweis, dass wir nun losgehen würden. Es gab damals ein populäres Lied, dass für mich seitdem ein Hymne ist, die mich immer wieder an diese Demonstration erinnert. Ein Lautsprecherwagen stand etwa fünfzig Meter vor mir und es ertönte von der Gruppe Fehlfarben der Song „ein jahr (es geht voran)“

Keine Atempause
Geschichte wird gemacht
Es geht voran
...
Graue B-Film Helden
regieren bald die Welt
Es geht voran.

(Fehlfarben 1980 Monarchie und Alltag)
Es ist immer noch dieser Kitzel, wenn plötzlich viele, sehr viele Menschen mit einem Strahlen im Gesicht ein Lied singen. Diese Euphorie hat schließlich schon jeder in einem Konzert erlebt. Hier war es für mich und viele andere die Bestätigung, dass wir, die durch die Medien verteufelten „Extremisten“ oder höflicher „Verführten“, nicht alleine waren.
Der Hofgarten ist eine große Wiese hinter der Universität Bonn. Hier sollten sich die Demonstrationszüge treffen. Es waren aber so viele Teilnehmende, dass viele Menschen irgendwo in einem Menschenstau hängen blieben. Unser Zug war schnell, wir schafften es bis zum Hofgarten. Hier gab es über Stunden Ansprachen und Musik. An die Ansprachen habe ich keine Erinnerung, aber ich erinnere mich daran, dass Harry Belafonte und die damals sehr populäre niederländische Band Bots zur großen Zahl von Künstlern gehörten, die ein zwei Lieder spielten.
Überglücklich rief ich meine Mutter an und wie es der Zufall wollte, erhielt ich die Chance zum Telefonieren (es gab lange Schlangen an den Telefonzellen) in dem Moment, in dem der von meiner Mutter sehr geschätzte Harry Belafonte sang.
Ich war alleine auf der Demonstration. Ich hatte mit dem FFJG in Ganderkesee einen festen Freundeskreis, aber ich war stets der einzige, der an politischen Veranstaltungen teilnahm. Alleine unter mehr als einer Viertelmillion Menschen. Von der Rückfahrt weiß ich nur noch, dass ich mich erschöpft irgendwann in das metallische Gepäckgitter über den Sitzen aufschwang und dort ein wenig geschlafen habe. Die unbequemen, alten Waggons der Bahn mit ihren Bänken hatten genug Platz für viel Gepäck oder eben einen Menschen.
Es war spät, als ich schließlich in Bremen ankam und viel später als ich über Delmenhorst meine Wohnung in Bockholzberg erreichte.

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