Sonntag, 4. März 2007

Fanfare Ciocarlia aus Rumänien zu Gast in Hannover

Es war eines dieser großen Konzerte, auch wenn es einige Abstriche durch die Organisation gab. Mein Bericht über den Auftritt der Fanfare Ciocărlia ist zweigeteilt. In schwarz sind meine Bemerkungen zur Band und zum eigentlichen Konzert und in blau sind Randbemerkungen gehalten.

Bereits 1998 trat Fanfare Ciocărlia auf dem Weltmarkt zum Abschluß vom vierten Masala Festival in Hannover auf. Seitdem sind im Rahmen dieses jährlichen Festivals oder in separaten Konzerten (z.B. Karandila) weitere Band aus Südosteuropa aufgetreten, die diese oder ähnlich Energie geladene Musik einen größeren Publikum bekannt machten.
Es waren erfreulich viele Menschen zum Konzert gekommen. Bereits eine Viertelstunde vor dem Konzert waren alle Stühle besetzt und auf den Seiten standen viele Menschen.
Die Bestuhlung war ein Problem. Es wurde die maximale Bestuhlung, wie sonst bei ruhigen Konzerten und Kabarettabenden aufgebaut und entsprechend war vor der ersten Reihe nur ein etwa zwei Meter breiter Gang zur Bühne hin freigelassen. Fanfare Ciocărlia spielt sehr viel Tanzmusik und so war der Konflikt mit den Sitzenden vorprogrammiert.
Das Konzert begann mit einem Klassiker aus einem Film von Emir Kusturica. Zunächst traten die vier Bläser auf, die auf einen Podest im Hintergrund das Grundgerüst aller Lieder spielten (Tuba, Tenor und Bariton Horn). Sie begannen alleine und es klang irgendwie bekannt, als nächstes kam der erste der zwei Saxophonisten auf die Bühne und als dann auch noch der erste von den drei Trompetern hinzukam war Bubamara von Nelle Karajlic zu erkennen. Dieses Stück wurde einen größeren Publikum durch den Film Schwarze Katze, Weißer Kater bekannt. Es brandete der erste Applaus auf, als der Senior der Band mit Hut auf die Bühne kam und zur Begrüßung den Hut zog. So kamen nach und nach alle elf Musiker auf die Bühne.
Fanfare Ciocărlia = Feldlerchen Blaskapelle
Mit dem zweiten Stück erhöhte sich die Geschwindigkeit auf die Beatzahl für die Fanfare Ciocărlia bekannt ist. Erbsenzähler haben bis zu 200 bpm gezählt und damit schneller als Techno mit den wesentlichen Unterschied, dass hier keine Computer Geräusche erzeugen, sondern Menschen von Hand Musik machen.
Mit Erstaunen stellte ich fest, dass es eine große Differenzierung im Publikum gab. Das Durchschnittsalter auf den Stühlen lag etwa bei 40 Jahren und an den Seiten standen sehr viele junge Menschen, die sich bereits beim zweiten Stück ersten Platz zum Tanzen schufen. Dieser Platz war nur vor der ersten Sitzreihe. Mit jedem Stück wurden es mehr Tanzende und nach einer halben Stunde war der gesamte Gang vor der Bühne eine wogende Menschenmenge und damit war in den ersten Reihen nichts mehr zu sehen.
Die Stücken boten im Wechsel ruhigere Momente, die im Vergleich zu anderer Musik zumeist immer noch sehr schnell war und diesen rasend schnellen Tzigani-Rhythmen. Immer wieder tauchten Fragmente von bekannten Melodien auf. Ein erster Höhepunkt wurde erreicht, als wiederum ein Stück, das aus einen Emir Kusturica bekannt ist, gespielt wurde. Wer kennt nicht diese befremdliche Eingangsszene aus dem Film Underground, in der die beiden Hauptpersonen nächtlich durch die Stadt kutschiert werden und damit Geld hinter sich werfen, um damit ein Tzigani Blasorchester zu bezahlen, dass spielend im Dauerlauf der Kutsche folgt.
Nach diesem treibenden Stück gab ich meinen Sitzplatz auf, ich wippte sowieso jeden Song mit den Füßen mit und nun war in der ersten Reihe auch nichts mehr zu sehen und eher zu befürchten, dass eine der ausgelassen tanzenden Personen einen von uns Sitzenden unsanft touchiert. In der Wikipedia fand ich die Erklärung für das sehr junge Publikum. Im Film Borat hat die Band einen Gastauftritt und spielt eine Interpretation von Born to be wild von Steppenwolf.
Bemerkenswert ist, dass beide Saxophonisten und auch die drei Trompeter regelmäßig ein Solo hatten. Mir gefiel besonders das Saxophon, das von beiden Musikern so gespielt wurde, dass es wie ein Lachen klang. Auch wechselten sich die Instrumentalisten am Mikrophon ab. Etwa jedes zweite oder dritte Stück hatte eine kurze Gesangseinlage.
Bereits vor dem Konzert wurde in der Begrüßung gesagt, dass es eine Pause geben würde. Der Einsatz der Musiker machte dies notwendig. Aber auch die Tanzenden (und die Rauchenden: Der Pavillon ist seit dem 1. Januar rauchfrei) waren froh über die kurze Erholung.
Leider wurde die mißliche Frage der Bestuhlung während der Pause nicht gelöst. Der Saal leerte sich zur Hälfte und die ersten Reihen hätten man abbauen können. Doch zumindest ich hatte nun einen Stehplatz am Rande, von den ich gut sehen und hören konnte und gleichzeitig genug Raum zum Tanzen war.
Es gab offensichtlich eine ganze Reihe von Rumänen und Roma im Publikum. Im zweiten Teil wurde immer wieder einzelne Frauen auf die Bühne gebeten, die dort direkt zu den Soli vor allem der Saxophone tanzten. Es war dies vor allem eine sehr schöne dunkelhaarige Frau, die schließlich auch von Musikern überredet wurde, für den Rest des Konzertes auf der Bühne zu bleiben. Nach jedem Lied, wenn der Applaus verebbte, waren Zurufe aus dem Publikum in einer mir vollständig unbekannten Sprache zu hören.
Wie sagte Benu, "die schönsten Frauen kommen aus Rumänien". So pauschal möchte ich es nicht formulieren, doch die Tanzenden waren schön und repräsentierten nicht dieses unnatürliche Ideal der Hungerhaken, die von den Medien aus den USA propagiert werden und auch hier ihre Knochen als angebliche Schönheit zeigen.
(Fanfare Ciocărlia auf dem Weltmusikfestival in Sheshory, Ukraine 2006;
Fotografie Yakudza, dieses und weitere Bilder können frei über Wikipedia geladen werden)
Die Musik nahm Anleihen an bekannten Stücken. Während ich noch am Raten war, woher ein musikalisches Zitat stammte, wandelte sich das Stück wieder. Die Tzigani Blasorchester entstanden während des Osmanischen Reiches und so war es nicht verwunderlich, dass immer wieder scheinbar orientalische Melodien und Rhythmen zu hören waren.
Die Begeisterung für die Band führte bei einigen Personen dazu, dass sie mehreren Musikern Geldscheine auf die schweißnasse Stirn drückten, die auch während eines folgenden Solo dort kleben blieben.
Die Band musste nicht lange gebeten werden, um nach dem Ende des Konzertes wieder für Zugaben auf die Bühne geklatscht zu werden. Es gab drei Zugaben auf der Bühne und der letzte Applaus mündete in Handzeichen eines Saxophonisten, der damit eine Gasse durch das Publikum freimachte. Nachdem alle Musiker ihre Tonabnehmer entfernt hatten, zog die Band im Gänsemarsch mit einem treibenden Lied langsam die Tribüne hinauf gefolgt von tanzenden Menschen. Im Foyer des Pavillon bildete die Band einen Halbkreis und spielte zwei weitere Lieder.
In der Stadt Hannover leben nach der offiziellen Statistik mehr als 300 Menschen mit rumänischer Staatsangehörigkeit.
Das zweite muss ein Volkslied gewesen sein, denn einige Dutzend drängten zur Band und sangen aus vollem Halse das Lied. Wieder im Gänsemarsch ging es hinter die Bühne und damit endete ein interessantes Konzert, das in guter Erinnerung verbleiben wird.

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