Dienstag, 11. Januar 2011

Arno Schmidt und seine Freunde

Als Arno Schmidt Leser habe ich oftmals gelesen, dass der Solipsist in der Lüneburger Haide (mit a!) ein Misanthrop war. Arrogant war noch eine der milden Charakterzuschreibungen.
Doch halt, wer hat diese Zuschreibungen gemacht? Es waren Journalisten und Kritiker und heißt es nicht, dass die Wortwahl auch etwas über den Schreiber sagt? Wir als Leser ziehen zumeist unseren Hut vor der Meisterschaft der Worte und Assoziationen von Arno Schmidt. Das Leben eines Autors interessiert, doch wesentlich ist, was er schreibt und was dies beim Lesen auslöst.
Wer KAFF auch MARE CRISIUM, Tina oder die Gelehrtenrepublik kennt, wird verstehen, was ich hier ausdrücken möchte.
Mein Bild vom Autor Arno Schmidt wurde in letzter Zeit einer sehr erfreulichen Revision unterzogen. Letztes Jahr las ich den Briefwechsel zwischen ihm und seinem ihn finanziell unterstützenden Kollegen Alfred Andersch. In diesen Briefen zwischen 1952 und 1979 ging es nicht nur um Literatur und jene Manuskripte die AS verfasste und unter Anderschs Leitung im SDR inszeniert und versendet wurden. In diesen Briefen gab es nun auch den Menschen AS.

Aktuell habe ich den Briefwechsel von Arno Schmidt mit Wilhelm Michels gelesen. Diese Briefe von 1953 bis 1970 zeigen die schwierige Entwicklung einer sich langsam entwickelnden und schließlich vertiefenden Freundschaft zwischen den Ehepaaren Schmidt und Michels. Hier erscheint der sehr sensible Künstler, der große Probleme mit jeder Form von Kritik an seinen Arbeiten hat, aber diese zunächst nur widerwillig von seinem Freund auch annimmt. Denn es ist konstruktive Kritik. Ein Detailfetischist trifft auf einen Seelenverwandten. Kleinste inhaltliche Fehler werden notiert und richtig gestellt. Doch dies ist nur ein kleiner Teil der sehr umfangreichen Briefinhalte. Es geht auch um den Spaß den beide in und durch den Briefwechsel ausdrücken. Es sind die von Arno Schmidt bekannten kryptischen Anspielungen auf literarische Zitate, die oftmals erst in Folgebriefen aufgeklärt werden.
Für seine Veröffentlichungen leistet diese Arbeit seit den 1970-er Jahren das sich selbstironisch nennende Arno-Schmidt-Dechiffrier-Syndikat in ihrer Zeitschrift Bargfelder Bote und in vielen Monographien.

Zum Ende des Briefswechsels mit Wilhelm Michels, der auch das plötzliche Ende der Freundschaft bedeutet, wird offensichtlich, dass Arno Schmidt vor allem und fast ausschließlich, der sensible Künstler und Wortarbeiter ist. Er bringt viele Formen des Humors in seine Geschichten ein (leider im Alter auch Altherrenhumor), der dann auch schon mal deftig sein darf, aber eine zu lockere Bemerkung von Michels als Anlass nimmt mit ihm nach mehr als 15 Jahren den Kontakt abzubrechen.
Die Absurdität dieses Verhaltens wird erst dann deutlich, wenn bedacht wird, dass die Familie Michels in denselben kleinen Dorf Bargfeld lebte, wie die Familie Schmidt.

Die Briefe sprechen eine Sprache, doch leider sprechen die Auszüge aus den Tagebüchern von Arno Schmidt eine andere Sprache. Hier wird keine Freundschaft deutlich. Hier wird der Besuch der Familie Michels zu einer Belästigung, zu einem gesellschaftlichen Zwang um seiner Frau eine Freunde zu bereiten. Am Ende erscheint er dann doch leider als ein Misanthrop.

Dennoch empfehle ich die folgenden Werke:
  • Der Briefwechsel mit Wilhelm Michels (Bargfelder Ausgabe – Briefedition Band 2), 351 Seiten, Zürich: Haffmans Verlag 1987
  • sowie die vorher erschienen Bände
  • Briefe an Werner Steinberg. 16 Briefe aus den Jahren 1954-1957, 38 Seiten, Zürich: Haffmans Verlag 1985
  • Der Briefwechsel mit Alfred Andersch (Bargfelder Ausgabe – Briefedition Band 1), 260 Seiten, Zürich: Haffmans Verlag 1985
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Einige ausgewählte Zitate habe ich hier im Blog bereits veröffentlicht:

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