Samstag, 18. Mai 2013

Roger Waters-Konzert in Hannover 2002

Was man nicht so alles findet, wenn man nicht sucht. Da räume ich gerade alte Dateien auf und stieß dabei auf eine Konzertkritik, die ich 2002 geschrieben habe und damals auf der Webseite zur Tournee von Roger Waters (In The Flesh) veröffentlicht wurde.
Eine Kontrolle ergab, dass die Seite von archive.org gespeichert wurde. Da es eine englische Seite war, musste ich auf deutsche Buchstaben verzichten.
Die Menschen, die mich kennen, wissen, dass ich kein Mensch weniger Worte bin und so war mein Text länger als die fünf andere Konzertberichte zusammen.

Habe mal die ganzen ae, oe, ue zurückgesetzt und hier ist mein Text von damals mit einigen Markierungen (die auf der damaligen Webseite nicht möglich waren):
(Logo der Tour IN THE FLESH 2002)
Es war ein Konzert, an das ich mich noch lange erinnern werde. Pink Floyd bis 1983 und die vier Roger Waters Hörspiele seitdem sind ein seltener Gast auf dem Plattenspieler oder im CD-Spieler. Wenn da nicht die Texte von Roger Waters wären, dann wäre es nur eine Erinnerung. Die Lyrik - besonders auch in den Hörspielen - ist mehr als ein aktueller Kommentar, und kann immer wieder gerne gelesen oder gehört werden.
Ich möchte meine Anmerkungen entlang der bekannten Setlist machen, doch zunächst etwas zur Spielstätte. In der Preussag-Arena lassen sich bestimmt stimmungsvolle Eishockeyspiele feiern, aber es ist kein Ort für Konzerte. Es ist nicht die bequeme Bestuhlung, die in der etwa Dreiviertel gefüllten Halle keine Partystimmung aufkommen ließ. Ich saß im U10-Block, im hinteren Teil und bis der Sound bei mir ankam ergaben sich beim Schlagzeug Echos. Die Schönheit einzelner Kompositionen wurde damit zermatscht. Der Eintrittspreis war für viele Menschen prohibitiv (63,50 EURO) und so war das Publikum sehr gesetzt und nur wenige Menschen unter 30 Jahren zu sehen. Die überall vorhandenen Ordner verhinderten weiteres. Die Arena hat den Charme einer U-Bahnstation, jeder Real-Supermarkt hat mehr positive Ausstrahlung.
Die Musik von Peter Gabriel war ein schöne Einstimmung vor dem Konzert. Der Einstieg mit der aggressiven zweiten Version von In the Flesh "Pink isn't well ..." deutete bereits die ironische Auseinandersetzung mit der Geschichte von Pink Floyd an. Eine "Surrogate Band" würde uns den Abend unterhalten. Doch dieser Ersatz zeigte immer wieder eine Spielfreude, dass es ein Genuss war in die Solos einzutauchen. Der Fokus auf den Star wurde zu Beginn betont und während des gesamten Konzerts folgte ein Scheinwerfer Roger Waters, aber dennoch nahm er sich oft genug zurück. Chester Kamen sang einige Stücke und während eines Solos eines Musikers war Roger Waters nur ein weiterer Musiker auf der Bühne. Das Trauma der englischen Schulen Happiest Days und Another Brick motivierte nur wenige in meinem Block zum Mitsingen, leider!
Leider musste zu diesem Zeitpunkt festgestellt werden, dass selbst wenn Quadrophonie vorgesehen war, diese im hinteren Teil nicht zu hören war. Offensichtlich gab es technische Probleme, denn über uns hingen Boxen, die aber wenige von sich gaben. Unprofessioneller Soundcheck.
Mother war ein erstes Highlight des Abends. Alleine bereits die Idee, den Gesangspart der Mutter von einer der drei fantastischen Sängerinnen zu singen lassen, ist gut. Der Dialog zwischen den verunsicherten Pink und seiner Mutter bekommt eine andere Qualität. Die beiden Stücke vom Final Cut waren bereits damals ein Vorgriff auf die Hörspiele, die danach vorgelegt wurden und stehen für den scheinbar vergeblichen Kampf, Militärs so etwas wie Vernunft beizubringen. Der Oxymoron einer "militärischen Logik" wäre amüsant, wenn er nicht den vielfachen Tod bedeuten würde. Nun ging es mit zwei Stücken von Animals in die Geschichte von Pink Floyd und wieder waren köstliche ironische Statements zu erleben. Als Harry Waters einhändig ein klassisches Motiv von Richard Wright spielte oder im langen Keyboard-Solo, die drei Gitarristen und Roger Waters sich zu einem Kartenspiel auf der Bühne zurückzogen. Diese Stücke sind Geschichte und könnten von irgendwelchen Musikern nachgespielt werden. Set the Controls (for the Heart of the Sun) beginnend mit einer akustischen Gitarre zeigte, dass das Potential der Stücke genutzt wird.
Ein Song der 1 zu 1, wie auf einer CD klingt, sollte in Teenie-Konzerten vorgetragen werden, ich erwarte Interpretationen auch von scheinbar perfekten Stücken. Dankenswerterweise wurde auch einige Stücke interpretiert.
Hier ein Wort zum Bühnenhintergrund. Angenehm war die fehlende Lightshow. Auf einer Großleinwand wurden unterstützende Filme, Diaserien und Animationen gezeigt. Zu The Wall waren es natürlich die Zeichentricksequenzen von Gerald Scarfe, die Alan Parkers Film zu etwas Besonderem machten. Besonders gefielen mir die langsam sich verändernden Bilder. Ein Mond der in drei Minuten langsam über die Bühne zieht. Oder das Prisma mit seinen Regenbogenfarben. Bei den frühen Pink Floyd Stücken gab es eine Referenz auf die ersten Versuche einer Bühnenshow mit verlaufenden Farben und ungewöhnlichen Dias. Ich empfand es als ein ironisches Statement über die 60er Jahre, wenn diese einfachen Versuche heute wieder verwendet werden.
Die folgende halbe Stunde erinnerte an ein klassisches Konzert. Mit der Ausnahme von Have a cigar wurde Wish you were here gegeben. Die Bilder erinnerten daran, wer erwünscht wurde. Lebt Syd Barrett eigentlich noch? Der Riesendiamant war eine angemessene Würdigung dieses Musikers in Shine On You Crazy Diamond.
Die folgende Pause katapultierte einen wieder in die Realität einer Betonschüssel in der sich Politiker bestimmt wohl und sicher fühlen.
Und es ging weiter zurück in die Geschichte. Eine lange Sequenz von der Dark Side of the Moon wurde gespielt. Nur Money wusste wirklich zu überzeugen. Andy Fairweather-Low gab ein wunderbar schmutziges Solo und zeigte, dass wenn interpretiert wird, keine Vergleiche mit David Gilmour aufkommen. Mir geht gerade durch den Kopf, dass es bisher nur sehr wenige Beispiele von Interpretationen von Pink Floyd-Stücken durch andere Künstler gibt. Warum nur?
In diesem zweiten Set funktionierte plötzlich auch die Lautsprecher über unseren Köpfen. Eine Idee von Quadrophonie deutete sich an. Einspielungen glitten nunmehr durch den Raum und wenige Male wanderte während eines Gitarrensolo der Sound.
Jetzt kamen endlich einige Beispiele aus den Hörspielen von Roger Waters. Ich würde sie nicht als Soloalben bezeichnen, denn es ist weder als Pop noch Rockmusik zu bezeichnen. Die Bleading Hearts Band des ersten und dritten Albums When the Wind Blows und Radio Chaos, als auch die Musiker des zweiten und vierten Albums Pros und Cons ... und Amused to Death sind deshalb auch nicht mit Pink Floyd zu vergleichen. Interessanterweise standen viele der Musiker der Hörspiele auf der Bühne. Der Zynismus von Perfect Sense und Bravery of Being out of Range wurde aktuell wieder in Afghanistan vorgeführt und es machte "perfect sense", dass auf der Leinwand der alte Cowboy Reagan und sein tumper Nachfolger Bush zu sehen waren.
Leider sind weder It's a miracle noch Amused to Death für ein Großkonzert geeignet. Sie kommen dann viel zu pathetisch zu Gehör. Ich vermisste Who Needs Information und besonders The Powers That Be, die für ein Konzert mehr Biss haben.
Es folgenden die abschließenden Teile aus Dark Side Of The Moon und es zeigte sich, wie sich diese fast 30 Jahre alten Stücke fast nahtlos an aktuellere Stücke anschlossen. Die besten Songs kommen natürlich zum Schluss. Comfortably Numb hielt die Menschen endlich nicht mehr auf den komfortablen Sitzen und statt Betäubung strömten viele zur Bühne. Das Gitarren-Duell zwischen Snowy White und Chester Kamen rundete das Konzert ab. Die Zugabe Flickering Flames ist leider pathetisch und im besten Sinne ein Rausschmeisser.
Ein Konzert zum Erinnern. Ich warte gespannt auf die Oper ca ira. Das wäre noch etwas, Roger Waters im Opernhaus von Hannover.

Die Musiker:
Roger Waters (vocal, guitar and bass)
Andy Fairweather Low (guitar and vocal)
Snowy White (guitar)
Chester Kamen (guitar and vocal)
Harry Waters (keyboards)
Andy Wallace (keyboards)
Graham Broad (drums)
Norbert Stachel (saxophone)
Katie Kissoon (singer)
PP Arnold (singer)
Linda Lewis (singer)

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