Sonntag, 22. November 2015

P.D. James - Land der leeren Häuser

Phyllis Dorothy James
Im Land der leeren Häuser
Roman,
aus dem Englischen von Christa Seibicke.

Droemersche Verlagsanstalt Th. Knaur Nachfolger, München 1993

[Original: The Children of Men, Faber and Faber, London 1992]

Für eine Biographie von P.D. James siehe hier.



Das Buch ist ein Science Fiction, der im Jahre 2021 in Großbritannien handelt. Die Geschichte ist nicht mit den technischen Varianten des Science Fiction, wie er von vielen US-amerikanischen Autoren bekannt ist, zu vergleichen. Der allumfassende Positivismus, der aus den USA bekannt ist, löst Probleme der Zukunft mit Maschinen und der Moral der Bibel. Dies ist ein soziologischer Science Fiction. Es wird durchgespielt, wie eine Gesellschaft auf eine Veränderung der Demographie reagiert. Technische Fortschritte werde selten erwähnt, doch dies hat natürlich auch etwas mit dem Aufbau und dem Stil des Romans zu tun.
Der Roman ist in zwei Büchern getrennt. Buch Omega umfasst in 19 Kapiteln den Zeitraum von Januar bis März 2021 und Buch Alpha in 14 weiteren Kapiteln den Oktober 2021. Es ist eine Mischung aus Tagebucheinträgen, die entsprechend Ereignisse nur in einen Kontext vergangener Tage stellen und einer Erzählerin, die manchmal einen Rückblick von 20-30 Jahren vollzieht, aber dies vor allem, um zwischenmenschliche Bindungen zu erklären oder die Biographie der Hauptpersonen zu konturieren.
Ich verzichte darauf, die Unterschiede zwischen dem Buch und seiner gelungenen Verfilmung durch Alfonso Cuaron herauszuarbeiten. Leser kennen mein Credo: Ein Buch ist ein Buch und ein Film ist ein Film. Ein Regisseur nimmt Idee und Atmosphäre eines Buches und versucht dies zu visualisieren. Dafür können selbst wichtige Nebenrollen eines Buches wegfallen, Hauptrollen in einer Person konzentriert werden oder die Eigenschaften einer Hauptperson auf mehrere Schauspieler aufgeteilt werden. Das sind die Freiheiten beim Übergang von einer Kunstform in die andere.

Inhaltsangabe
1. Buch Omega Januar-März 2021
Es beginnt mit dem Tagebucheintrag vom 1. Januar 2021 des Protagonisten Theo Faron. Theo Faron ist Professor für die Geschichte des Viktorianischen Zeitalters an der Universität Oxford. Er ist also Experte für vollendete Ausprägung der bürgerlichen Ideale innerhalb der britischen Monarchie. Er hat an diesem Tag seinen 50. Geburtstag und mit dem Beginn seiner zweiten Lebenshälfte beginnt er wieder ein Tagebuch zu führen.
Er schildert seine Situation und warum es keinen Grund mehr gibt, Geburtstage zu feiern. Seit der Mitte des Jahres 1994 sind alle männlichen Samen unfruchtbar. Die letzten Geburten erfolgten entsprechend 1995. Diese letzten Menschen, die nunmehr alle über 25 Jahre alt sind, werden als Omegas bezeichnet und gefürchtet. Die Zahl der Menschen reduziert sich kontinuierlich und die Menschheit wird in absehbarer Zeit aussterben.
Der nächste Eintrag widmet sich dem neuen Herrscher von Großbritannien. Es gibt noch Länder und die Insellage macht eine Abschottung von dem Rest der Welt möglich. Xan Lyppiatt hat vor etlichen Jahren sich zum Warden of England erklärt und regiert autoritär mit einem kleinen von ihn ernannten Staatsrat das Land. Xan Lyppiatt ist der Cousin von Theo Faron und beide verbinden Jugenderlebnisse. Theo war ein wesentlicher Berater von Xan, nachdem dieser sich zum Warden erklärt hatte. Es wurde ein Punkt in der Entwicklung der Diktatur erreicht, an dem Theo seine Arbeit niederlegte und seitdem auch keinen Kontakt zu seinem Cousin pflegt.
Es folgen weitere Betrachtungen über seine Jugend mit Xan, die persönliche Entwicklung der beiden Cousins, die Eltern sowie seiner Ehe und Tochter. Seine Tochter wurde tragischerweise von ihm als Kleinkind überfahren und getötet. Seine Frau konnte danach nicht mehr mit ihm zusammenleben und ließ sich scheiden.
Im sechsten Kapitel übernimmt die Erzählerin den Handlungsfaden und berichtet von der Restzivilisation, die es noch gibt. So werden zum Beispiel an der Universität alle Rituale im Verhältnis der Personen zueinander und im Jahresablauf weiter gepflegt. Eine junge Frau mit dem Namen Julian wird eingeführt. Sie bittet ihn an einen konspirativen Treffen mit einer kleinen Gruppe von Oppositionellen zu erscheinen und danach seinen Einfluss auf den Warden zu verwenden, um die Kritik und die Forderungen der Gruppe vorzutragen. Er vereinbart einen Termin.
Der nächste Tagebucheintrag widmet sich einem Besuch seines Doktorvaters Jasper Palmer-Smith, der nach seiner Emeritierung sich mit seiner Frau in ein abgelegenes Cottage zurückgezogen hat. Mit Erstaunen erkennt er, dass beide erheblich gealtert sind. Die Regierung garantiert keinen Service mehr außerhalb bestimmter Siedlungen. Mit der abnehmenden Zahl von Menschen wird es immer schwieriger Straßen zu erhalten und die Versorgung mit Gas, Wasser und Strom aufrecht zu erhalten. Jasper und seine Frau Hilda würden gerne bei Theo in Oxford einziehen. Eine erschreckende Vorstellung für Theo, da er die Einsamkeit in seinem mehrgeschossigen alten Haus genießt. Auf dem Rückweg sieht er viele Menschen vor der Universität. Eine US-amerikanische Untergangsevangelistin ist auf Tournee und predigt in Oxford.
Die Erzählerin berichtet vom Treffen mit Julian und der Gruppe von Dissidenten in einer wenig genutzten Dorfkirche. Sie nennen sich selbst die Five Fishes. Es werden die Probleme des Landes erörtert. Die Isle of Man wurde zu einer Deportationsinsel. Gewaltverbrecher und Unruhestifter verschwanden aus der Gesellschaft. Die Staatssicherheitspolizei (SSP) hat eine Diktatur errichtet und kontrolliert alles. Ausländer werden als Zeitgänger bezeichnet und müssen in Arbeitslagern leben. Wenn sie nicht mehr brauchbar sind für das System, werden sie in ihre Heimat abgeschoben. Die Regierung hat den Quietus eingeführt. Der Untergang der Menschheit treibt viele ältere Menschen in den Selbstmord. Mit dem Quietus gibt es eine ritualisierte Form eines Massenselbstmord mit einer feierlichen Verabschiedung. Männer müssen regelmäßig ihre Samen auf Fruchtbarkeit überprüfen lassen und Frauen werden einem gynäkologischen Zwangstest unterzogen, um mögliche wiederkehrende Fruchtbarkeit festzustellen.
Der Gruppe von Dissidenten geht es um Würde. Nicht nur um die Würde der sechs Diskutanten, sondern die Würde der Menschheit und jedes Einzelnen. Theo nimmt die Gruppe nicht sehr ernst und verweist darauf, dass sein Einfluss beim Warden minimal sei. Die Gruppe informiert ihn über den nächsten bekannten Quietus und bittet ihn sich diese Zeremonie anzuschauen und dann zu entscheiden, ob er das Anliegen der Gruppe unterstützt.
Der Quietus findet an einen ehemaligen Badeort statt. Es ist eine erfundene Tradition, die Selbstmörder werden in den Strandkabinen in weiße Gewänder gekleidet. Theo fällt auf, dass diese Senioren offensichtlich mit Medikamenten ruhiggestellt sind. Mit Blaskapelle und unter Aufsicht der SSP ziehen die weiß Gewandeten zu einen Steg und zu dort festgemachten Booten. Er sieht, das jede Person, nachdem sie Platz genommen hat mit den Füßen an den Boden der Boote fest gekettet wird. Diese Boote werden auf die See hinausgezogen und außer Sicht versenkt. Eine Frau bricht aus der Gruppe der Senioren aus und möchte nicht mehr an diesem Massenselbstmord. Er will ihr helfen und erkennt schließlich, dass es sich um die Frau seines Doktorvaters handelt. Sie ist verzweifelt und will so nicht sterben. Die SSP schlägt sie im Wasser blutig und bewusstlos und auch er wird bei seinem Hilfeversuch von der SSP bewusstlos geschlagen. Er erwacht alleine am Strand und zieht sich in ein kleines Hotel zurück. Dort reift die Entscheidung, seinen Cousin den Warden zu treffen. Eine entsprechende Information wird von ihn an einen vorher vereinbarten Platz für die Gruppe der Dissidenten versteckt.
Im Tagebuch behandelt er sein Treffen mit dem Warden und dem Staatsrat in London. Er war  erstaunt, wie schnell er einen Termin erhielt. Die Staatsratsmitglieder wechselten nie. Theo stellt die einzelnen Mitglied vor. Die Erzählerin berichtet vom erfolglosen Gespräch mit dem Staatsrat und einem anschließenden Gespräch mit dem Warden während eines Spaziergangs durch einen Park. Alle Maßnahmen der Regierung sind wohl bedacht und sollen dazu führen, dass die verbliebenen Menschen in Frieden bis zum Ende leben können.
Beim folgenden Treffen mit Julian wird deutlich, woher ihre Motivation stammt. Sie ist tief gläubig und sieht ihre Aufgabe zur Veränderung von Gott gewollt. Da der Warden aller Kritik auswich, formuliert die Dissidentengruppe Five Fishes ein Flugblatt, dass nachts verteilt wird. Theo liest die Forderungen und vernichtet das Blatt.
Im Tagebuch berichtet er von einem Phänomen in einer kinderlosen Gesellschaft. Seine Exfrau hat ihn zu einer Taufe eingeladen. Ihre Katze hat Junge bekommen. Während der Feier wird das Flugblatt diskutiert, das auch dort aufgetaucht ist. Zwei Männer von der Staatssicherheitspolizei suchen ihn auf. Im Gespräch wollen diese von ihm erfahren, was er von den aktuellen Entwicklungen hält. Quietus-Veranstaltungen wurden gestört indem die Rampen zur Einschiffung gesprengt wurden. Theo macht sich Gedanken über diesen Besuch der SSP. Er erkennt, dass er Sympathien für die Gruppe der Dissidenten hat.
Der letzte Eintrag im ersten Buch vom 26. März 2021 berichtet von einer zufälligen Begegnung mit Julian auf dem Wochenmarkt. Er warnt sie vor der SSP, die ihnen auf den Fersen sei. Theo beschließt noch einmal alle ihn bekannten Orte auf dem Festland von Europa zu bereisen.

2. Buch Alpha Oktober 2021
Theo kehrt nach Oxford zurück. Er beschreibt in seinem Tagebuch die besuchten Reiseziele auf dem Festland. Er ruft seine Ex-Frau an, um zu erfahren, ob irgendetwas in den letzten sechs Monaten in England passiert ist. Er beschreibt einen Alptraum, in dem er die Dissidentin Julian mit den Auto tötet.
Miriam aus der Gruppe der Dissidenten besucht ihn und spricht von der ersten Verhaftung. Die Gruppe befindet sich seitdem auf der Flucht und benötigt seine Hilfe. Die Flüchtlinge der Gruppe Five Fishes werden vorgestellt. Julian ist hoch schwanger, doch Theo glaubt, dass dies einer der üblichen Selbstbetrügereien sei, also eine Scheinschwangerschaft.
Er trifft Julian an einem Ort, an dem er in seiner Jugend sich mit heutigen Diktator Xan getroffen hat. Erinnerungen an Gespräche mit Xan, an diesen Ort werden mit den aktuellen Gesprächen verwoben. Er meint, Julian sollte ihre Schwangerschaft melden. Doch für sie ist der Warden und seine Diktatur das Böse, dem sie nicht trauen kann.
Die gemeinsame Flucht beginnt mit einem Besuch im Haus seines Doktorvater Jaspar, sie wollen sich dort verstecken. Das Haus ist totenstill, Jaspar hat Selbstmord mit einem Revolver gemacht und einen Nachricht für Theo hinterlassen. Sie rüsten sich im Haus für Flucht und die Geburt aus und reisen mit den Wagen von Jaspar ab.
Ein Mann aus der Gruppe pocht darauf, dass er der Führer der Gruppe ist, dass seine Fruchtbarkeit ist, die das erste Kind zeugte. Er will den Warden ablösen, um selbst Warden zu werden. Ein Schlagloch unterbricht ihre Flucht. Das beschädigte Auto wird von der Straße entfernt und in einem Wäldchen versteckt, wo es am nächsten Tag repariert wird.
Ihre Weiterfahrt endet an einer Straßensperre einer Omega-Gruppe. Sie zwingen sie an ihren Ritualen teil zu nehmen und verlangen einen von ihnen als Menschenopfer zu töten. Ihr Auto mit all seinen Vorräten wird als Teil des Rituals abgefackelt. Den vier Überlebenden gelingt die Flucht von den Omegas. Julian gesteht dem Anführer, das er nicht der Vater ist, sondern das das Kind von den soeben Geopferten stammt. Ohne Vorräte müssen sich von Früchten aus dem Wald ernähren.
Am nächsten Morgen ist der Anführer verschwunden. Die drei anderen machen Pläne für die weitere Flucht. In einem Ort überfallen sie ein Seniorenpaar in deren Haus. Deren Auto und Materialien für die Geburt werden gestohlen und das Paar gefesselt zurückgelassen.
Ihr neues Ziel ist ein Schlosspark des Warden. Theo kennt in umliegenden Wald eine Hütte. Aus den  Nachrichten erfahren sie, dass die Seniorin tot aufgefunden wurde und das nun drei Personen gesucht werden. Ihr Anführer hat offensichtlich Informationen über die Gruppe weiter gegeben. Die Flucht ist zu Ende, das Auto wird in einem Teich versenkt, Theo wirft sein Tagebuch hinterher und ein Hubschrauber erinnert sie daran, dass die Verfolger nahe sind.
In der Hütte wird alles für die Geburt vorbereitet. Ein Junge wird geboren und die Hebamme Miriam geht los, um Vorräte für die Gruppe zu besorgen. Sie kommt nicht zurück. Theo verlässt die junge Mutter und findet Miriam außerhalb des Waldes ermordet. Er kehrt zur Hütte zurück.
Der Warden Xan erscheint vor der Hütte. Theo spricht mit ihn, erschießt ihn mit einer Kugel seines Freunds Jasper. Theo nimmt den Ring des Warden von der Leiche. Der Staatsrat erscheint und wird kurz zum Baby vorgelassen. Die Mutter bittet darum, dass das Baby getauft wird, was Theo dann auch vollzieht.

Es ist eine Dystopie mit einem offenen Ende. Es wurde ein Kind geboren und damit könnte die Ursache der Dystopie beendet sein. Der Warden of England, als Repräsentant einer Diktatur ist tot. Doch es bleibt unklar, ob sich das politische System ändern wird und die Menschheit überlebt.

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