Mittwoch, 17. Februar 2016

Filmnotiz: Quentin Tarantinos hasserfüllte Nr. 8


Regie: Quentin Tarantino (USA 2016, deutsche Fassung 168 Minuten)

Was war nicht alles vor der Veröffentlichung des Films zu lesen und was hat der Regisseur seitdem in seiner Werbung herausgestellt (Interview mit Quentin Tarantino und Jennifer Jason Leigh)?
Es ist alles wahr! Jennifer Jason Leigh spielt großartig (es gab Nominierungen für einen Golden Globe und einen Oscar) und alle Schauspieler zeigen wie gerne sie für Tarantino arbeiten. Es werden zwar nur zwei Charaktere ausgearbeitet, aber die anderen überzeugen in ihren Szenen.

Diesmal hat Tarantino ein Kammerspiel geschaffen, das für mehr als eine Stunde von seinen Dialogen lebt. Acht Personen in einem großen Blockhaus und draußen tobt ein Schneesturm. Es ist der wilde Westen nach dem Amerikanischen Bürgerkrieg und kurz vor seiner Zähmung mit dem Aufkommen von Justiz und "Gerechtigkeit" (?) in den neuen Siedlungen.
Hass hat viele Ursachen, hier ist es vor allem in der Biographie begründet. Zwei ehemalige Offizieren der beiden Seiten des Krieges, die durch große Grausamkeit in der Behandlung des Gegnern, Ruhm auf ihrer Seite erworben haben, treffen aufeinander. Hass endet nicht mit einem Waffenstillstand.
Misstrauen ist eine weitere Grundlage und außen einem Kutscher scheinen alle etwas zu verschweigen oder offensiv zu lügen. Es wird schnell deutlich, dass der Schlüssel für ein Verständnis der Situation in den nicht anwesenden Personen liegt.

Tarantino erzählt wieder in Kapiteln. Es gibt Schwarzblenden, in denen für Sekunden nichts zu sehen und vorherige Geräusche ausklingen, bevor der Titel des nächsten Kapitels zu lesen ist.
Tarantino spielt mit Elementen der Filmgeschichte. Ich meine hier nicht nur die wunderbare Idee mit alter Filmtechnik auf 65 mm zu filmen, welche Landschaftsaufnahmen zu einem visuellen Erlebnis machen. Bei diesen großen Aufnahmen gibt es nur wenige Schnitte. Eine herannahende Kutsche braucht sehr lange, bis sie an der Kamera vorbei rollt. Die verwendeten Linsen führen bei den Aufnahmen im Blockhaus zu starken Schärfe-Unschärfe-Gegensätzen. Hinzu kommt der Einsatz von verlangsamter Wiedergabe (zum Teil sogar Zeitlupe). Oder ein anderes Beispiel wäre, dass die Kamera zum Akteur wird. Die Kamera filmt im Blockhaus aus dem Hintergrund, bewegt sich dabei zur Seite und baut damit eine Spannung auf. Es entsteht in diesen Momenten der Eindruck, dass einer der Anwesenden die anderen genau beobachtet. Es werden Rätsel aufgebaut, die dann in Rückblenden aufgelöst werden. Selbst die Splatter-Szenen sind ein Stil-Element.

Und es ist immer wieder eine Freude, in seinen Filmen die gleichen Schauspieler in sehr unterschiedlichen Rollen zu erleben. Von den acht Hauptpersonen spielt Samuel L. Jackson ("Der Kopfgeldjäger") bereits im 6. Tarantino-Film, James Parks ("Der Kutscher") ist zum 4. Mal, Michael Madsen ("Der Cowboy") und Tim Roth ("Der kleine Mann") zum 3. Mal sowie Bruce Dern ("Der General"), Walter Goggins ("Der Sheriff") und Kurt Russell ("Der Henker") zum 2. Mal dabei. Nur die erfahrene Jennifer Jason Leigh ("Die Gefangene") ist eine Debütantin in Tarantinos Filmwelt.

Die Musik unterstreicht die "alt"-modische Aufnahmetechnik. Ennio Morricone hat für diesen Film neu komponiert. Es klingt vertraut, als wenn Morricone eigene Werke für Western der 1960-er und 1970-er Jahre zitiert. Das möge bitte nicht als eine negative Kritik verstanden werden. Denn die Bilder, das sehr langsame Tempo der Geschichte, bis in der Blockhütte der Hass kein Halten mehr kennt, werden zusammen mit der Musik zum Kinoerlebnis.

Der Film lief auch im Original, leider nur auf kleinen Leinwänden. Ich genoss die Bilder auf 181 m² und ärgerte mich über manchmal über die anachronistischen Sätze, die vielleicht nur in der deutschen Fassung vorhanden sind. Es gibt am Anfang Szenen, wo die Charaktere der dargestellten Zeit entsprechend sprechen, doch in der Blockhütte gibt es Wortwechsel, die in Passagen eher dem späten 20. Jahrhundert zuzuordnen sind. Und als die Figur von J.J. Leigh eine Strophe eines Liedes zur Gitarre singt, singt sie Englisch, doch als sie aufgefordert wird, weitere Strophen zu singen, singt sie Deutsch.
Die irgendwann vorliegende DVD wird lehren, ob dies richtig beobachtet wurde. Mit Erstaunen sehe ich in der Wikipedia, dass der Film für Deutschland um 19 Minuten gekürzt wurde. In 19 Minuten passt fast eine ganze Folge von The Simpsons oder The Big Bang Theory. Hoffentlich finden sich diese Minuten auf der DVD.

Ich bin gespannt auf den 9. und den dann angekündigten 10. und letzten Film von Quentin Tarantino. Wenn ich mir etwas wünschen könnte, dann würde ich gerne eine radikale Space-Opera und einem Film im Mafia-Milieu sehen.

Ich gebe dem Film 8 von 10 Punkten meiner Filmbewertungsliste.
2009 habe ich bereits eine Notiz zum 6. Film "Inglourious Basterds" geschrieben. Und sein 2. Film "Pulp Fiction" ragt weiter heraus und ist für mich erst der zweite Film überhaupt der 10 von 10 Punkten erhalten hat.

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